Die 5 Rede-Tipps, die Sie von Martin Luther Kings Rhetorik lernen können

Dorie will gerade gehen, als sie diese Stimme hört. Sie hält sie fest. Schlägt sie in ihren Bann. Als die Stimme verklingt, applaudieren 250.000 Menschen begeistert an jenem 28. August 1963. Die Erde bebt und Dorie begreift:

„Das ist ein Wendepunkt. Und du bist dabei.“

Ein Wendepunkt im Kampf der Schwarzen um gleiche Bürgerrechte. Ein Wendepunkt, der nicht nur politisch, sondern auch rhetorisch Geschichte geschrieben hat. Und die Menschen immer noch berührt, wie der Kinofilm Selma zeigt. Denn Martin Luther King sprach an jenem Tag in Washington, D. C. über seinen Traum in einer Weise, die bis heute Gänsehaut entstehen lässt (hier geht’s zum Video).

Das verdankt er 5 einfachen, aber wirkungsvollen rhetorischen Techniken, die auch Sie anwenden sollten, wenn Sie wirklich überzeugend reden wollen: in Reden, Vorträgen oder Präsentationen. Deshalb haben wir Ihnen hier die 5 besten Rhetorik-Tipps zusammengestellt, die Sie von Martin Luther King lernen können, um Ihre Rhetorik auf ein neues Niveau zu heben.

Welche rhetorischen Mittel machen Martin Luther Kings Rede so einzigartig und mitreißend? Nun, wie viel Zeit haben Sie? Nein, Spaß beiseite. Er hat sich einfach an eine eherne Rhetorik-Regel gehalten: Gute Rhetorik sollte

einfach sein, leicht zur Identifikation einladen, emotional bewegen und positive Erfahrungen hervorrufen.

Wie er das genau gemacht hat, darauf werfen wir jetzt einen etwas detaillierteren Blick.

Kings Rhetorik-Tipp #1: Geben Sie den Zuhörern etwas, womit diese sich identifizieren können

Identifikation mit dem Redner und der Sache, die er vertritt, ist elementar für den Rede-Erfolg. Sie bringt Ihnen Sympathie ein und Aufmerksamkeit. Das erreichen Sie über eine Geschichte, die Sie erzählen – durch Anknüpfen an die Werte, Einstellungen oder Alltagserfahrungen Ihrer Zuhörer.

Eine Situation aus dem Alltag Ihres Publikums schildern

Lesen Sie sich den zweiten Absatz von Kings „I-have-a-dream“-Rede durch (hier geht’s zur Rede). King beschreibt dabei genau die Situation, die wahrscheinlich jeder Afroamerikaner damals so empfunden hat: die Ungerechtigkeiten, die Diskriminierung, die Arroganz der Weißen… Die Reaktion von Kings Publikum auf diesen Absatz dürfte eindeutig sein:

„Genau so geht es mir auch.“

Eine solche Reaktion sollten Sie auch für Ihre Aussagen anstreben.

Anknüpfen an gemeinsame Werte

Martin Luther King sieht den Kampf der Schwarzen für Gleichberechtigung als „tief verankert im Amerikanischen Traum“. Er beruft sich auf die Verfassung der Vereinigten Staaten und zitiert die Passage der Unabhängigkeitserklärung, die jedem Menschen „unveräußerliche Rechte“ garantiert. Seine Argumentation bekommt damit eine höhere Weihe: Nämlich all die Werte, an die die amerikanische Gesellschaft glaubt. Und wie könnte sie an diese Werte glauben, ohne Kings Forderung nach Gleichberechtigung der Schwarzen stattzugeben?

Auf ähnliche Weise verankern Sie Ihre Argumente nicht nur rational im Kopf Ihrer Zuhörer, sondern was noch viel wichtiger ist: in ihrem Herzen.

Erschaffen Sie eine Gemeinschaft: Nicht Sie und die Anderen, sondern Wir

„We cannot walk alone“

ruft King seinen Zuhörern entgegen. Damit gibt’s nicht mehr einen Redner und ein Publikum, sondern nur noch eine Gemeinschaft, die vereint für ein gemeinsames Ziel kämpft. Ein „Wir-Gefühl“ erzeugen Sie durch die Anknüpfung an gemeinsame

  • Werte
  • Interessen
  • Einstellungen
  • Sichtweisen
  • Ziele
  • Wünsche
  • Hoffnungen

Schaffen Sie auch sprachlich eine Gemeinschaft. Setzen Sie sich an die Spitze Ihrer Gruppe oder Zuhörer und reden Sie in ihrem Namen. So wie Martin Luther King es tut,

„indem er wiederholt Phrasen mit ‚us‘, ‚we‘, ‚our‘, etc. einbaut und auch Erfahrungen persönlicher Diskriminierung einbringt.

Kings Rhetorik-Tipp #2: Sprechen Sie klar, eindeutig und sauber strukturiert

Zwei Dinge sind bei Dr. Kings Rede auffällig:

1. Eine eindeutige Sprache:

„Der Wortschatz seiner Rede liegt bei weniger als 1000 Wörtern – das macht sie leicht verständlich.“

Passen Sie Ihr Sprach-Niveau an das Publikum an. Fachausdrücke sollten dort gebraucht werden, wo sie nötig sind. Und vor allem immer nur, wenn Sie wissen, dass das Publikum sie verstehen wird.

2. Die Rede hat eine nachvollziehbare Struktur.

Das macht es dem Publikum nicht nur leicht, Ihren Ausführungen zu folgen, sondern auch Ihre Argumente nachzuvollziehen. Wir sind nämlich am meisten von dem überzeugt, was wir verinnerlicht haben. Dafür sollten wir aber zuerst die Idee nachvollziehen können – am besten so, dass wir selbst auf die Schlussfolgerung kommen. Vollenden Sie also nicht immer jeden Gedanken, sondern lassen Sie Ihre Zuhörer die Schlussfolgerung, die komplett offensichtlich ist, selbst machen.

Logische Schemata strukturieren eine Rede

Ein logischer Aufbau macht eine Rede verständlich. Es gibt zahlreiche Schemata, nach denen Sie Ihre Rede – oder auch Präsentation – konzipieren können:

  • Ursache – Wirkung
  • Situation – Lösung
  • Zeitliche Abfolge
  • Logischer Ketten-Satz (Wenn-dann-Schema)

Martin Luther King hat sich für eine Variante der zeitlichen Abfolge entschieden. Er beginnt in der Gegenwart:

„I am happy to join with you today in what will go down in history as the greatest demonstration for freedom in the history of our nation.“

Geht dann über in die Vergangenheit: Lincoln unterzeichnete 1863 die Emanzipations-Proklamation und beendete damit die Sklaverei:

„It came as a joyous daybreak to end the long night of their captivity.“

Anschließend springt er wieder in die Gegenwart und zeigt auf, dass trotz allem die Behandlung der afroamerikanischen Bevölkerung noch immer ungerecht ist – und das 100 Jahre später. Daraufhin entwirft er seine Vision von der Zukunft:

„I have a dream…“

Machen Sie klare Vorgaben

Eine gute Rede-Struktur bedeutet immer, dass Sie ein paar Dinge unzweifelhaft lassen:

  • Was ist das Ziel Ihrer Rede?
  • Was ist die Botschaft?
  • Wie sollen sich die Zuhörer anschließend fühlen?
  • Was sollen sie tun?

Beantworten Sie all das, bevor Sie beginnen, Ihre Rede oder Präsentation auszuarbeiten. Sprechen Sie ruhig Ihr Ziel klipp und klar aus. So wie Martin Luther King:

„Now is the time to make real the promises of democracy.“

Worte strukturieren

Die deutsche Sprache hält einige Struktur-Worte bereit, die Sie wahrscheinlich noch aus dem Schulaufsatz kennen:

  • Aufzählungsworte (erstens, zweitens, drittens)
  • Worte der logischen Abfolge (deshalb, daher, als nächstes)
  • Worte der zeitlichen Abfolge (nachdem, daraufhin, dann)

Oder auch rhetorische Stilfiguren, die der Rede einen besonderen Schmuck verleihen – selbstverständlich mit Maß und Ziel. Zwei Figuren sind bei Martin Luther King besonders ausgeprägt:

  1. Die Anapher: die Wiederholung eines oder mehrerer Worte am Satzanfang. Allein der Satz „I have a dream“ kommt neun Mal in der Rede vor – und strukturiert sie so.
  2. Die Antithese: Gegensätze strukturieren nicht nur, sondern verdeutlichen auch Ihren Punkt. Vergleichen Sie zum Beispiel den Abschnitt über die Sklaven-Befreiung durch Lincoln mit dem darauffolgenden Absatz, den King mit

„But one hundred years later…“

einleitet.

Kings Rhetorik-Tipp #3: Bieten Sie den Leuten eine klare Vision, für die Sie sprechen.

Gut, das klingt ein wenig pathetisch. Aber bei genauerem Hinsehen gibt es immer irgendein Ziel oder einen erstrebenswerten Zustand, den Sie erreichen wollen. Und den Sie dann – etwas hochtrabend – als Ihre Vision ansehen können. Und sei’s auch nur, dass Sie die Zufriedenheit Ihrer Angestellten steigern wollen, indem Sie beim Chef dafür plädieren, eine neue Kaffeemaschine anzuschaffen. Holen Sie die Leute bei dem ab,

  • wonach sie sich sehnen,
  • was sie sich wünschen,
  • oder was sie erreichen wollen.

Das muss nichts Gigantisches wie die Einforderung gleicher Bürgerrechte sein. Aber es sollte etwas sein, für das Sie brennen. Dann springt der Funke von ganz allein über. Oder was glauben Sie, wie bewegt die 250.000 Menschen gewesen sind, als King ihnen zurief:

„This is our hope, and this is the faith that I go back to the South with.“

Kings Rhetorik-Tipp #4: Nutzen Sie eine klare und treffsichere Sprache

Kings Sprache ist einfach schön. Sie ist eindeutig und verständlich, sie ist an den richtigen Stellen emotional und mitreißend:

„Let us not seek to satisfy our thirst for freedom by drinking from the cup of bitterness and hatred.“

Sie ist so plastisch, dass Kings Gedanken vor dem inneren Auge als Bilder auftauchen:

„a great beacon light of hope to millions of Negro slaves who had been seared in the flames of withering injustice. It came as a joyous daybreak to end the long night of their captivity.“

Und sie ist konsequent. Ziehen Sie bestimmte Sprach-Bilder, für die Sie sich entschieden haben, ruhig als einen roten Faden durch. Wenn Sie eine Chance für Ihr Unternehmen als „Elfmeter ohne Torwart“ beschreiben, dann bleiben Sie insgesamt bei der Fußball-Metaphorik. Das lässt nicht nur Ihre Rede konsequent und stimmig wirken, sondern auch Sie.

Nutzen Sie in angemessener Weise Emotionen – auch in rationalen Business-Präsentationen. Denn:

Nur wenn die richtigen Emotionen der Menschen berührt werden, entsteht Euphorie – und so werden Menschen zu Fans.

Übrigens: Hier haben wir Ihnen weitere Rhetorik-Tipps zusammengestellt, wie Sie auch ein lustloses Publikum begeistern können.

Kings Rhetorik-Tipp #5: Begeistern Sie durch Ihre Stimme!

Ihre Stimme ist ein wertvolles Medium, mit dem Sie Stimmung machen können. Das ist kein blödes Wortspiel, sondern eine wirkungsvolle Tatsache. Sie können Ihre Stimme auf unterschiedlichste Weise variieren:

  • Martin Luther King zum Beispiel beginnt seine Rede recht langsam, „nahezu zelebrierend gesprochen“. Dann steigert er ein wenig die Geschwindigkeit. Wechseln Sie Ihre Sprech-Geschwindigkeiten ab.
  • Machen Sie Pausen, die strukturieren und Spannung erzeugen. Bei Martin Luther King kreiert die Abwechslung von Pausen, langsamem und schnellerem Sprechen einen magischen Sog, der zum Zuhören zwingt.
  • Achten Sie auf eine deutliche und klare Artikulation. Auch wenn die Filmaufnahmen über 50 Jahre alt sind und die Technik recht alt – King versteht man trotzdem perfekt.

Fazit

Die Analyse von Martin Luther Kings „I have a dream“ ließe sich endlos fortsetzen. Und ebenso die Liste der wirkungsvollen Rhetorik-Tipps für Ihre nächste Rede, die Sie daraus schöpfen können. Hier sind noch einmal die 5 besten Ideen, um eine gute Rede zu halten, in aller Kürze:

  • Geben Sie Ihren Zuhörern etwas, womit sie sich identifizieren können: Knüpfen Sie an gemeinsame Werte, Einstellungen und Alltagserlebnisse an.
  • Strukturieren Sie Ihre Rede klar und leicht verständlich durch eine logische Struktur, sinnstiftende Struktur-Wörter und rhetorische Stilmittel. Achten Sie auf Ziel und Botschaft Ihrer Rede!
  • Bieten Sie eine Vision, für die Sie reden.
  • Ihre Sprache sollte klar, verständlich und emotional sein. Damit machen Sie aus Zuhörern Fans.
  • Begeistern Sie durch eine vielfältige Modulation der Stimme: lauter, leiser, schneller, langsamer. Vergessen Sie die Pausen nicht.

Die besten Rhetorik-Erkenntnisse zieht man immer aus dem Studium der Großen und aus der Umsetzung dieser Erkenntnisse in der eigenen Praxis. Durchforsten Sie das Internet danach und lassen Sie sich vom Pastor aus Georgia inspirieren!

Was gefällt Ihnen an Martin Luther Kings Rhetorik besonders? Teilen Sie es uns in den Kommentaren mit!

 

 

Foto: Signature of Martin Luther King, Jr. (Own work by uploader, traced by hand), Upload von Connormah, 15 July 2009, 1,280 × 474 pixels, Gemeinfrei, Wikimedia.de.



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