Die Debatte um DAS Kleid für sich entscheiden – so einfach geht’s

Eine einzige Frage treibt derzeit die gesamte Netz-Welt um:

„Welche Farbe hat dieses Kleid?!“

Ist es nun blau-schwarz? Oder doch weiß-gold? Oder hat das Weiß einen leichten Goldstich und das Blau tendiert eindeutig ins Schwarze…? Hä?

Mal anders gefragt: Worum geht’s eigentlich bei der ganzen Aufregung um #TheDress wirklich? Darum, dass das gesamte Netz den einen User sucht, der die plausibelste Antwort darauf hat. Es wartet sehnsüchtig darauf. Bis heute. Aber: Jetzt sind Sie ja da. Ja, richtig: Sie!

Sie haben eine Meinung, welche Farbe das Kleid hat (sonst wären Sie ja nicht auf diesem Artikel gelandet…). Sie wollen Netz-Geschichte schreiben und die Frage endlich befriedigend beantworten, damit heute Abend alle da draußen friedlich einschlafen können. Wie ritterlich von Ihnen! Was Ihnen fehlt, ist einzig das Rüstzeug, das Mittel, um die Debatte für sich zu entscheiden. Und das liefern wir Ihnen jetzt hier.

Blau-schwarz, weiß-gold, hä? Eindeutig ein rhetorischer Fall.

Vielleicht fragen Sie sich ja, welche magische Methode eine solch elementare Frage wie jene nach der Farbe des Kleides beantworten kann. Sie muss zumindest recht wirkungsvoll sein, und recht erprobt. Und das ist sie auch, handelt es sich hierbei doch um eine Methode, die mehr als 2500 Jahre alt ist: effektive Rhetorik. Überrascht? Enttäuscht?

Kein Grund dafür. Rhetorik ist schon immer die Lösung gewesen, wenn Menschen sich zwischen zwei Dingen entscheiden mussten, aber nicht recht wussten, wofür. Diese Ratlosigkeit wird in der Rhetorik-Theorie als rhetorischer Fall bezeichnet.

Schauen Sie sich die Menge an Tweets an, die die Frage beantworten wollen. Und noch viel besser: Schauen Sie sich die Masse an, die völlig ratlos ist und endlich, endlich jemanden sucht, der ihr die Antwort überzeugend nennen kann. Dieser Jemand können Sie sein. Dabei sollten Sie diese Techniken anwenden, damit Ihre Argumentation weiß Gott kein Schuss ins Blaue wird, sondern goldrichtig ins Schwarze trifft:

1. Ethos: Überzeugen Sie mit Ihrer Persönlichkeit

Die Rhetorik-Theorie hat seit Aristoteles drei Typen von Beweismitteln ausfindig gemacht: Ethos, Pathos, Logos. Das Ethos ist die Redner-Persönlichkeit. Hier überzeugen Sie mit allem, was Ihre Person so hergibt:

  • Ihre Lebensgeschichte
  • Ihr Beruf
  • Ihre besonderen Fähigkeiten
  • Ihre besondere Kompetenz
  • Ihre besondere Zuverlässigkeit

Vielleicht haben Sie ja beruflich mit Farben zu tun und sind deshalb der Spezialist, wenn’s um die astreine Bestimmung einer Farbe geht. Oder Sie sind im wahren Leben die Shopping Queen und kennen sich deshalb speziell mit Kleidern aus? Oder sind Sie „nebenberuflich“ Farb- und Stil-Berater? Männer, aufgepasst! Endlich lohnt es sich, dass Ihr stundenlang vor der Umkleide-Kabine auf Eure Frau oder Freundin warten und ein „kluges“ Urteil zu T-Shirt, Bluse, Hose, was auch immer abgeben musstet.

Das ist doch die Qualifikation schlechthin, um die Frage nach #TheDress zu beantworten. Da braucht’s keinen Guido Maria Kretschmer dafür. Ihr könnt das auch. Schon lange. Oder? Vermitteln Sie nur glaubwürdig, dass Sie für Ihre Farbe brennen. Am besten so wie Twitter-User Tony Tokyo:

„Ich werde nicht ruhen, bevor ich #DASKLEID auch in der anderen Farbe gesehen habe.“

That’s the spirit!

2. Pathos: Zeigen Sie Gefühle – und bewegen Sie die Herzen Ihres Publikums

„Drama, baby, Drama!“

Ein Titel, der auch – abgeschwächt – in einem Rhetorik-Lehrbüchlein stehen könnte. Denn wer wirklich durch Rhetorik überzeugen will, braucht Emotionen dafür. Wir sind keine reinen Vernunftwesen, wir wollen ein bisschen unterhalten, ein bisschen mitgerissen werden. Auch bei Reden, Vorträgen und Präsentationen. Deshalb erzählen wir so gern Geschichten.

Und Farben sind ja mal sowas von emotional. Ein Blick in die klassische Farblehre erklärt,

  • dass Blau für Ferne, Sehnsucht und Klarheit steht und deshalb eine emotional ausgleichende, beruhigende und mäßigende Wirkung hat.
  • dass Schwarz in unserer Kultur vornehmlich für Trauer und Tod steht. Aber auch für Eleganz. Beides hochemotionale Hintergründe, aus denen Sie argumentativ schöpfen können.
  • dass Weiß mit „Freude assoziiert“ wird und deshalb für Reinheit, Unschuld und Unsterblichkeit steht. Das gibt doch argumentativ was her!
  • dass Gold „wegen seines ‚Sonnenglanzes‘ schon seit frühen Zeiten das Metall der Götter, der Kaiser und der Könige“ ist.

Farben berühren uns immer emotional, sie haben wertvolle Effekte bspw. um besser lernen zu können. Aus all diesen emotionalen Bedeutungen können Sie viele Pathos-Argumente bauen: Ist es nicht gerade in unserer oft düsteren Welt umso lebensbejahender, das Kleid in Weiß-Gold als im pessimistisch-kühlen Blau-Schwarz zu sehen?

Oder: Drückt sich in der kühlen Distance von Blau und Schwarz nicht gerade jene Anmut aus, die wie der verlorengegangene Zauber von Hollywood-Königinnen à la Grace Kelly und Audrey Hepburn in unsere Zeit hinüberstrahlt? Gerade beim Pathos dürften Ihrer Phantasie keine Grenzen gesetzt sein…

3. Logos: Liefern Sie gute Gründe für Ihre Farb-Meinung

Auch wenn’s nur – äh, Verzeihung: Gerade wenn’s um die bewegende Frage nach der Kleider-Farbe geht, dann kommt es auf gute Argumente an. Nur mit heißer Luft werden Sie niemanden auf Ihre Seite ziehen. Aber mit ein, zwei oder maximal drei richtig guten Argumenten sind die Leute bei Ihnen. Unterstützt durch Ihre Kompetenz, die Sie mit Ihrem Ethos aufgebaut haben, und durch Pathos mitreißend gemacht, haben Sie Ihren Rede-Erfolg sicher in der Tasche.

Das Ganze gilt übrigens auch für die schriftliche Argumentation. Rhetorik ist nicht mehr nur die reine Redekunst. Sie haben eine gewaltige Bandbreite an Möglichkeiten, um Ihre logischen Argumente zu finden:

  • Wissenschaftliche Untersuchungen oder Statistiken, so wie Twitter-Userin maanmelanie es macht:

„Ich habe gerade wissenschaftliche Studien durch geführt… Auf einer Party… Leute mit blauen Augen sehen #daskleid Blau, die Anderen Gold.“

  • Oder bemühen Sie Sprichwörter, Zitate oder die Autorität wichtiger Personen, wie Twitter-User rollinger vorschlägt:

„Wir sollten vielleicht mal Richard Kleidermann fragen.“

  • Oder greifen Sie auf die gute alte Zeit als Argument zurück wie Twitter-User 8000 München 40:

„Ich sehe je nach Tageszeit und Stimmung unterschiedliche Farben bei #TheDress“

4. Schema F ist vielleicht nicht immer das Beste, um überzeugend zu reden

Ihre Argumentations-Struktur ist genauso wichtig wie die Struktur der blau-schwarzen bzw. weiß-goldenen Streifen des Kleides. Der ganze Effekt verpufft, wenn ein Teil davon falsch angeordnet ist. Deshalb haben unsere erfahrenen Rhetorik-Trainer von Baber Consulting Ihnen hier das beste Argumentations-Schema rausgesucht: das Toulmin-Schema.

Der britische Argumentations-Theoretiker Stephen Toulmin hat folgende Bestandteile als absolut notwendig definiert, wenn Ihre Argumentation da draußen Erfolg haben will: Jedes Argument besteht aus einer Behauptung, die durch eine Schlussregel („wegen“) bewiesen und durch ein Backing („siehe“) unterstützt wird. Deshalb wird daraus eine Schlussfolgerung, sofern keine Ausnahmebedingung gilt. Hier gibt’s eine etwas ausführlichere Erklärung.

Verwenden Sie für Ihre Farb-Argumentation dieses Schema und Sie vermeiden dadurch Unverständnis-Reaktionen wie diese von Twitterin Styles’ Princess.:

„Ich versteh’s nicht. Das Kleid ist definitiv weiß & Gold, wie kann man da blau & schwarz sehen ?“

5. Wenn gar nix mehr geht: Machen Sie das große Fass auf.

Falls Sie argumentativ nicht mehr weiterkommen, gibt es immer noch die Möglichkeit, aus einer Mücke einen Elefanten zu machen – also die ganz großen Fragen zu stellen. Eine solche künstliche Ausweitung des Gegenstandes heißt in der Rhetorik amplificatio. Das ist zwar immer ein wenig riskant, aber bei einem Thema wie #TheDress – nun ja, nicht unwahrscheinlich…

Verleugnen Sie einfach die Existenz des Kleides. Die Rhetorik nennt das, was Twitterer 3farbengrau tut, übrigens eine statusdefinitionis-Argumentation:

„Solange ich #dasKleid nicht angezogen hab, ist es keins. So.“

Oder – hahaa! – (t)wittern Sie eine Verschwörung, die nur Sie bemerkt haben. So wie Christopher Luening:

Habe heute BEIDE Varianten gesehen – innerh. v. 2 h und so eindeutig,dass ich dachte,jemand hat #DasKleid getauscht.“

Oder stellen Sie die Frage nach der Wahrheit hinter dem schönen Schein, wie Twitter-Userin Darleen:

„Was ist, wenn das Kleid garnicht ein Kleid ist, sondern Manuel Neuer?“

Oder nehmen Sie jedem, aber auch wirklich jedem den argumentativen Wind aus den Segeln, indem Sie mit nur einem einzigen pragmatischen Rat jede Diskussion ad absurdum führen. Ein Musterbeispiel gibt Je suis ton père:

„Dann zieh #dasKleid halt aus.“

Fazit

Selbst ein Thema wie #TheDress liefert gewaltige argumentative Möglichkeiten. Wenn Sie da draußen Erfolg haben und in die Netz-Geschichte als der legendäre Beender oder die sagenhafte Abschließerin der Debatte um die Farbe des Kleides eingehen wollen, dann sollten Sie sich unbedingt an diese 5 Rhetorik-Tipps halten:

  1. Argumentieren Sie mit Ihrem Ethos: Alles, was aus Ihrem Leben, Ihrer Persönlichkeit und Ihrem Charakter der Überzeugung dient, sollte in Ihr rhetorisches Werk.
  2. Nutzen Sie die Macht der Gefühle! Emotionen sind nicht nur mächtige Einfluss-Faktoren, sondern auch von den Menschen gewünscht. Eine Sache ohne Gefühle hat keine Seele, oder?
  3. Achten Sie darauf, dass Ihre Argumente logisch und glaubhaft sind. Sie müssen zur Sache, den Umständen und zu Ihnen passen.
  4. Wer seiner Argumentation eine logische Struktur gibt, der macht sie leicht nachvollziehbar und glaubwürdiger. Das Toulmin-Schema eignet sich besonders gut dafür.
  5. Eine amplificatio ist ein gutes Mittel, um Dinge klipp und klar zu verdeutlichen. Oder die ganz großen Fragen hinter der kleinen Detail-Frage zu stellen.

Welche Farbe hat denn #DasKleid nun für Sie? Gehen Sie raus, überzeugen Sie die Welt da draußen mit guter Rhetorik von Ihrer Meinung und berichten Sie uns davon in den Kommentaren!

 

 

Foto: swiked / tumblr.com



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