Andere überzeugen? Erkenntnisse aus der Rhetorik zur Überzeugung

Andere überzeugen, die eigene Meinung durchsetzen, Standpunkte vertreten, eigene Ziele auch zu den Zielen anderer machen – das ist es, was viele von der Rhetorik lernen wollen. Doch wie geht das? Was muss ich tun, um diese rhetorischen Techniken zu erlernen? Die Rhetorik-Trainer von Baber Consulting geben Aufschluss.

Das grundlegende Wissen um Rhetorik: die 3 Überzeugungsmittel

Der griechische Philosoph und Rhetoriker Aristoteles empfiehlt einem Redner drei Dinge zu berücksichtigen und zu signalisieren, um andere Menschen von seinem Anliegen zu überzeugen:

  1. Glaubwürdigkeit, (altgriechisch: ethos, arete)
  2. Kompetenz (phronesis)
  3. Sympathie (eunoia).

Aristoteles meinte in der Glaubwürdigkeit das wichtigste Element zu erkennen. Dies wird durch die moderne Forschung bestätigt: Untersuchungen der amerikanischen Psychologen Carl Hovland, Irving Janis und Harold Kelley haben in der Mitte des letzten Jahrhunderts ergeben, dass wir entgegen der landläufigen Meinung, andere Menschen nicht primär mit guten Argumenten überzeugen, sondern mit der glaubwürdigen und selbstbewussten Darstellung dieser Argumente.

Besonders zu Beginn einer Rede bzw. eines Gesprächs ist der Vertrauensfaktor ausschlaggebend. Dies leuchtet ein, denn ich kann noch so gute Argumente vorbringen: Wenn mir nicht geglaubt wird, werde ich niemanden überzeugen können. Daraus folgt aber auch, daß eine Person, die schlechte Argumente gut und glaubwürdig vorbringt wahscheinlicher andere überzeugen kann, als eine andere, die bessere Argumente nicht oder nur wenig überzeugend darstellt!

Das Optimum ist selbstverständlich, auf allen drei Gebieten: Kompetenz, Sympathie und emotionale Ansprache maximal zu punkten.

Wie stelle ich Glaubwürdigkeit in einer Rede her?

Damit stellt sich die interessante Frage: Wie entsteht Glaubwürdigkeit? Hierfür finden sich in der Rhetorik unterschiedliche Ansätze. Das Wichtigste scheint mir, dass die folgenden Aspekte eins zu eins zu meinem Inahlt passen:

  •  Körpersprache (d. h. Gestik und Mimik)
  • Prosodie und Intonation (d. h. Klang der Stimme, Betonung und Rhythmik)
  • das Verhalten des Redners in von ihm angekündigten, zukünftigen Handlungen

Treten hierbei Unstimmigkeiten auf, vermindert dies die Glaubwürdigkeit – unabhängig von der Wahrhaftigkeit der Botschaft. Der amerikanische Kommunikationspsychologe Albert Mehrabian hat untersucht, welche Auswirkungen es auf die Überzeugungskraft hat, wenn Inhalt, Körpersprache und Klang der Stimme nicht zueinander passen. Er kam zu dem Ergebnis, dass bei einer face-to-face-Situation lediglich zu 7 % auf den Inhalt, zu 55 % auf die Körpersprache und zu 38 % auf den Klang der Stimme geachtet wird, um herauszufinden, ob der Gesprächspartner lügt.

Natürlich dürfen wir diese Zahlen nicht als absolute, in Stein gemeißelte Wahrheiten hinnehmen, immerhi stammen sie aus einer sterilen Versuchsanordnung und nicht aus dem realen Leben, wo die Menschen nicht darauf gepolt sind: Achtung! Das hier ist ein Experiment, also pass auf! Es gibt deshalb Psychologen und Kommunikationsexperten, wie Heinrich Lenhart und Stefan Wachtel, die diese Zahlen kritisch beäugen. Dennoch ist die Tendenz eindeutig: Egal, wie stark nun die Überzeugungskraft betroffen ist: Dass sie leidet, wenn Inhalt und Art wie wir den Inahlt vermitteln, nicht zueinander passen, ist offensichtlich

Kompetenz oder Sympathie: Was ist wichtiger, um überzeugend zu reden?

Noch einmal zurück zu Aristoteles. Die beiden weiteren Überzeugungsmittel macht er in der dargestellten Kompetenz und dem sympathischen Auftritt des Redners aus. Lenken wir den Fokus deshalb auf die Frage: Wann soll sich ein Redner eher um eine kompetente, wann eher um eine sympathische Wirkung bemühen?

Selbstverständlich hängt dies auch vom Charakter des Redners, von den Erwartungen sowie der Stimmung der Zuhörer und vom Thema ab. Doch die Rhetorik und Psychologie gehen weiter; sie unterscheiden zwischen zentraler und peripherer Route der Argumentation.

Als zentrale Route wird dabei das kognitive, auf Rationalität ausgerichtete Argumentieren verstanden. Die periphere Route versucht durch nonverbale Mittel, wie z. B. Gestik, Mimik, Bilder, zu überzeugen.

Dies ist in doppelter Hinsicht von Bedeutung:

  1. Bei Empfängern von Informationen besteht die Neigung, den Weg des geringsten Widerstandes zu gehen, d. h. sachlich hochmotivierte und befähigte Rezipienten setzen auf die verankerte Vorteilsargumentation. Weniger befähigte Empfänger stehen rein geistiger Informationsverarbeitung noch unwilliger gegenüber! Darum kommt bei einer Rede der peripheren Argumentation die entscheidende Bedeutung zu, denn hier werden Informationen bzw. Argumente gleichzeitig auf dem zentralen und dem peripheren Weg verarbeitet, meint der Tübinger Rhetorik-Professor Joachim Knape.
  2. Für die periphere Route ist aber eine Präsenz des Redners nötig oder anders formuliert: bei der schriftlichen Form einer Rede spielen Gestik und Mimik keine Rolle. Daraus folgt, daß je entfremdeter und indirekter das Medium ist (in abnehmender Reihenfolge: Rede -> Film ->Bilder mit Text -> schriftlicher Text), desto mehr gewinnt die zentrale Route an Bedeutung. Deshalb sollten Sie bei der schriftlichen Form stärker auf eine schlüssige und gute Argumentation achten (zentrale Route) als beim direkten Vortrag. Es ist also ein großer Unterschied in der Wirkung einer Rede zu beobachten, wenn ich sie vortrage und anschließend in schriftlicher Form veröffentliche. Werbefachleute bedienen sich deshalb gerne der Bilder auf Plakaten etc.

Andere überzeugen ist ein Prozess

Der rhetorische Fachbegriff für Überzeugung lautet Persuasion. Dies ist insofern erwähnenswert, da sich dieser Terminus von dem Lateinischen persuadere ableitet, was gleichzeitig ‚überzeugen’ und ‚überreden’ im Deutschen bedeuten kann.

Und in der Tat unterscheidet man in der Rhetorik nicht, ob der Persuasionsprozess auf tatsächlicher Überzeugung, d. h. durch reflektierte Übernahme von Argumenten, oder auf Überredung, d. h. durch nicht-reflektierte, manipulative oder den Gesprächspartner überfordernde resp. überrumpelnde Methoden zustande kommt. (Kritisch wird es erst, wenn die Handlung vom Empfänger als Zwang empfunden wird.) Bedeutend ist lediglich die Etablierung des eigenen Anliegens beim Zuhörer.

Selbstverständlich kommen hier weitere Komponenten ins Spiel. Hierzu zählen zum Beispiel die moralische Vertretbarkeit der angewendeten Techniken sowie das Streben nach dauerhafter Übernahme des eigenen Zieles durch den Zuhörer. Das kann häufig nur gelingen auf der Grundlage eines fundierten Persuasionsprozesses mit entsprechenden Argumenten. Im Übrigen entscheidet einzig der Zuhörer über die Qualität der Argumente – gute Argumente sind, die dem Zuhörer schlüssig und sinnvoll erscheinen, unabhängig von ihrer tatsächlichen Qualität und Wahrhaftigkeit.

Der Prozess der Überzeugung selbst setzt sich aus mehreren Stufen zusammen. Hovland beschreibt folgenden Ablauf:

  1. opinion change (Veränderung der Meinung)
  2. attitude change (Veränderung der Haltung/Einstellung)
  3. behavior change (Veränderung des Verhaltens).

Erst wenn alle drei Stufen durchlaufen sind, kann von einer geglückten Persuasion gesprochen werden. Hierdurch wird aber keine Stabilität gewährleistet. Dieser Prozess kann nämlich mehrmals bezüglich eines Sachverhalts durchschritten werden und die Meinung erneut gewechselt werden. Deshalb weist Joachim Knape darauf hin, dass nach geglückter Überzeugung die Stabilisierung der übernommenen Meinung das Ziel ist. Schließlich soll unser Zuhörer bzw. Kunde von keiner anderen Seite mehr überzeugt werden können und einen erneuten Standpunktwechsel vollziehen.

Dies bezeichnet Knape als prozessuale Persuasion. Entscheidend ist, daß nach Knapes Ansicht eine Stabilisierung des Standpunktes eine permanente Persuasion erfordert. Andere zu überzeugen muss daher langfristig nächsten Prozessschritte einzukalkulieren. Zum Beispiel: Wie verhalten Sie sich, wenn der Zuhörer und Kunde erste Erfahrungen mit der neuen Meinung, dem neuen Produkt nach dem Meinungswechsel gemacht haben wird? Was ist dann Ihr Ziel? Anders gesagt: Ihre Überzeugungsarbeit hört nie auf:

Nach der Überzeugung ist vor der Überzeugung.

Fazit: Das sollten Sie für erfolgreiche Rhetorik unbedingt im Hinterkopf haben

In der Einstiegsphase eines Gesprächs überzeugen wir andere Menschen weniger mit einer guten Argumentation als vielmehr durch die glaubwürdige Darstellung des Gesagten. Unsere Glaubwürdigkeit speist sich aus der Übereinstimmung unserer Aussage, unserer Körpersprache, unseres Klangs der Stimme und unseres Verhaltens. Dies gilt vor allem in face-to-face-Situationen.

Bei einer schriftlichen Kommunikation rückt die zentrale Route in den Vordergund, d. h. hier ist vermehrt auf eine logische Argumentation zu achten. Ferner erleichtern wir uns den Überzeugungsprozess durch eine kompetente und sympathische Wirkung auf unsere Zuhörer.

Legen wir Wert auf eine längerfristige Überzeugungsleistung, so ist eine permanente Persuasion erforderlich. Ihre Strategie sollte gleich zu Beginn der Überzeugungshandlung eingeplant werden.

 

Foto: IchSelbst! / pixelio.de



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